Freie Liebe oder die Freiheit zum Business?

Gerade fand ich dieses Werbevideo des US-amerikanischen Woodhull-Instituts – offenbar eine Art Karriereförderprogramm für Frauen, das sich auf Victoria Woodhull beruft.

Das Filmchen ist ganz nett, weil man in knapp drei Minuten schon etwas über das Leben von Victoria Woodhull erfährt. Allerdings war ich doch etwas irritiert über die Art und Weise, wie sie hier zu einem Role Model für Businessfrauen gemacht wird – und das auch noch mit einem kleinen antifeministischen Seitenhieb verbunden.

Der Plot des Videos läuft darauf hinaus, dass Victoria Woodhull nicht einfach nur eine normale Frauenrechtlerin war wie Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton, sondern darüber hinaus noch weitere radikalere Freiheitsforderungen stellte.

So weit, so richtig. Doch das Verhältnis von Woodhull zu den anderen – etablierteren – Frauenrechtlerinnen war nicht nur, dass sie diffus „radikaler“ war, sondern dass sie aus einer ganz anderen Perspektive heraus Politik machte, und zwar aus einer anti-bürgerlichen. Sie verleugnete nicht ihre Herkunft aus der Unterschicht, sie passte ihre Meinung nicht dem bürgerlichen Mainstream an (ihre Schwester Tennessee Claflin übrigens noch weniger), und sie machte keine Kompromisse.

Sie trat ein für eine umfassende Freiheit, und damit meinte sie nicht nur die politische Freiheit der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen (Wahlrecht und gleiche Rechte überhaupt), sondern vor allem soziale Freiheit, die für Woodhull vor allem sexuelle Freiheit war (Abschaffung der Ehe, Abtreibungsfreiheit, keine strafrechtliche Verfolgung von Prostituierten, freier Zugang zu Verhütungsmittel und so weiter).

Von all dem ist in dem Video nichts zu sehen, hingegen wird Woodhull parallelisiert mit jungen Frauen in Business-Kostümen. Die Freiheit zur Wirtschaftskarriere? Richtig, die hat Woodhull sich auch genommen. Sie war als Wahrsagerin und spirituelle Heilerin eine erfolgreiche Geschäftsfrau,  sie gründete die erste weibliche Brokerfirma an der Wallstreet und gab eine eigene radikalfeministische Zeitung heraus.

Allerdings gelang ihr dieser Erfolg gerade nicht, indem sie sich anpasste. In den Businessblazer hätte sie sich niemals geszwängt. Im Gegenteil: Sie war jederzeit bereit, ihre „Karriere“ (wenn man so will) auf’s Spiel zu setzen, wenn ihr das notwendig erschien.

Okay, auch Victoria trug Männerkleidung. Allerdings war das damals noch eine  Provokation.

So ändern sich die Zeiten.

Autor: Antje Schrupp

Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main.

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