Meik Krick, ein befreundeter Künstler der vor allem mit Pop Art Remix arbeitet, hat gerade diese schöne Begegnung zwischen Victoria Woodhull und Andy Warhol inszeniert. Ich bin natürlich entzückt 🙂
Freie Liebe oder die Freiheit zum Business?
Gerade fand ich dieses Werbevideo des US-amerikanischen Woodhull-Instituts – offenbar eine Art Karriereförderprogramm für Frauen, das sich auf Victoria Woodhull beruft.
Das Filmchen ist ganz nett, weil man in knapp drei Minuten schon etwas über das Leben von Victoria Woodhull erfährt. Allerdings war ich doch etwas irritiert über die Art und Weise, wie sie hier zu einem Role Model für Businessfrauen gemacht wird – und das auch noch mit einem kleinen antifeministischen Seitenhieb verbunden.
Der Plot des Videos läuft darauf hinaus, dass Victoria Woodhull nicht einfach nur eine normale Frauenrechtlerin war wie Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton, sondern darüber hinaus noch weitere radikalere Freiheitsforderungen stellte.
So weit, so richtig. Doch das Verhältnis von Woodhull zu den anderen – etablierteren – Frauenrechtlerinnen war nicht nur, dass sie diffus „radikaler“ war, sondern dass sie aus einer ganz anderen Perspektive heraus Politik machte, und zwar aus einer anti-bürgerlichen. Sie verleugnete nicht ihre Herkunft aus der Unterschicht, sie passte ihre Meinung nicht dem bürgerlichen Mainstream an (ihre Schwester Tennessee Claflin übrigens noch weniger), und sie machte keine Kompromisse.
Sie trat ein für eine umfassende Freiheit, und damit meinte sie nicht nur die politische Freiheit der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen (Wahlrecht und gleiche Rechte überhaupt), sondern vor allem soziale Freiheit, die für Woodhull vor allem sexuelle Freiheit war (Abschaffung der Ehe, Abtreibungsfreiheit, keine strafrechtliche Verfolgung von Prostituierten, freier Zugang zu Verhütungsmittel und so weiter).
Von all dem ist in dem Video nichts zu sehen, hingegen wird Woodhull parallelisiert mit jungen Frauen in Business-Kostümen. Die Freiheit zur Wirtschaftskarriere? Richtig, die hat Woodhull sich auch genommen. Sie war als Wahrsagerin und spirituelle Heilerin eine erfolgreiche Geschäftsfrau, sie gründete die erste weibliche Brokerfirma an der Wallstreet und gab eine eigene radikalfeministische Zeitung heraus.
Allerdings gelang ihr dieser Erfolg gerade nicht, indem sie sich anpasste. In den Businessblazer hätte sie sich niemals geszwängt. Im Gegenteil: Sie war jederzeit bereit, ihre „Karriere“ (wenn man so will) auf’s Spiel zu setzen, wenn ihr das notwendig erschien.
Okay, auch Victoria trug Männerkleidung. Allerdings war das damals noch eine Provokation.
So ändern sich die Zeiten.
The Spirit to run the White House
1874: Die Debatten um das Frauenwahlrecht in Ypsilanti, Michigan
In einem interessanten Artikel für den Ann Arbor Chronicle gibt Laura Bien einen schönen Einblick in die Art und Weise, wie zu Zeiten von Victoria Woodhull die Debatten um das Frauenwahlrecht geführt wurden – auf kommunalpolitischer Ebene, und zwar in einem kleinen Ort namens Ypsilanti (sic! :)) in der Nähe von Detroit.
1874 (also zwei Jahre nach Woodhulls symbolträchtiger Präsidentschaftskandidatur) wurde in Michigan darüber abgestimmt, ob das Wort „männlich“ aus dem Wahlgesetz gestrichen werden sollte – womit die Frauen hätten wählen gehen können. Genau das war der Vorschlag gewesen, den Victoria Woodhull in ihrer Rede 1871 vor dem Rechtsausschuss von Senat und Kongress gemacht hatte. Damit hatte sie eine neue Strategie in der Frauenrechtsbewegung initiiert. Bis dahin hatten die Frauenrechtlerinnen immer ein weiteres „Amendment“ gefordert, das den Frauen das Wahlrecht zugestehen sollte. Woodhull argumentierte hingegen, dass die Frauen das Wahlrecht schon immer gehabt hätten – und zwar mit einem gewissen Recht. Denn bis zum 14. Amendment, das 1869 den schwarzen Männern das Wahlrecht gab, war der wahlberechtigte „citizen“ im Gesetzestext nicht näher bestimmt. Erst nun wurde aus diesem unbestimmten und geschlechtslosen „citizen“ (unter dem sich aber natürlich alle Welt einen weißen Mann vorstellte), ein präzise definierter „männlicher Bürger unabhängig von der Hautfarbe“. Woodhull reichte eine Petition ein, in der sie forderte, dass dieser Zusatz „männlich“ wieder gestrichen würde, weil er verfassungswidrig sei. Ein eigenes Amendment für die Einführung des Frauenwahlrechtes wäre dann nicht mehr notwendig gewesen.
Der Rechtsausschuss hat die Petition zwar abgelehnt, aber in Michigan wurde der Vorschlag jedoch zur Abstimmung gestellt. 135,957 votierten dagegen, 40,077 dafür – abgelehnt also. In den Debatten, die im Vorfeld geführt wurden, brachten die Gegner des Frauenwahlrechtes ihre Ablehnung auch dezidiert mit den Forderungen Woodhulls nach „freier Liebe“ in Verbindung, mit denen sie für so manchen Skandal gesorgt hatte.
Victoria Woodhulls Leben zum Hören!
Kürzlich habe ich Victoria Woodhull bei einer Veranstaltung in Nürnberg vorgestellt und dabei mitgeschnitten. Für alle, die das anhören wollen, steht das jetzt als mp3 zum Downloaden im Internet, und zwar hier – viel Spaß!
VictoryAhh! Woodhulls Leben auf der Bühne

Das Kosmostheater in Wien hat das Leben von Victoria Woodhull auf die Bühne gebracht! Premiere war am 23. September 2009.
Nach der Regie von Tanja Witzmann spielen Suse Lichtenberger, Sissi Noé und Valentin Schreyer nicht nur Woodhulls Leben nach, sondern begegben sich „in den Raum einer Biographie, der als Reibungsfläche unserer eigenen Positionen dient, beleuchten die „Ismen“ vergangener Zeiten durch die Gegenwartslupe“, wie es in der Theatervorschau heißt: Gemeinsam mit den SchauspielerInnen wird mittels Improvisationen und unter Verwendung von historischem und aktuellem Textmaterial eine Collage entwickelt. Sie folgen Victoria auf die Straße, vors Parlament und fallen in Börsen-Trance, zündeln mit Falschgeld am Rande des Heldinnenvulkans, werden verfolgt von ihrer Familienband, die den Takt schlägt und laut schreit: VictoryAhh! Hollywoodesk wandert das Stück durch musikalisch theatrale Videolandschaften staunend über die Utopien der Vergangenheit am Weg in die Zukunft – und dabei immer in Versuchung die lineare Zeitachse außer Gefecht zu setzen, die uns in die gegenwärtige große Krise schleudert.
„We want Independence. And I mean Revolution!“ Victoria Woodhull (1838–1927)
„Future Presidentness“ lässt sich Victoria Woodhull 1872 auf ihre Autogrammkarten drucken und macht sich somit fünfzig Jahre vor dem Frauenwahlrecht zur amerikanischen Präsidentschaftskandidatin. „Das Eigentliche ist nicht die Frage, ob Frauen per Gesetz das Wahlrecht zusteht oder nicht, sondern dass die Frauen dieses Recht jetzt ausüben wollen.“ Victoria Woodhull, 1870 Sie verkörperte die anarchische Variante des „American Dream“ – von der Hellseherin zur Wallstreetbrokerin, vom siebten Kind einer Ganovenfamilie zur Präsidentschafts-kandidatin. Als Free Loverin, Spiritistin und Zeitungsmacherin wurde sie aus der amerikanischen Frauenbewegung und von Marx aus der Internationalen katapultiert. Sie erhob den Skandal zur politischen Strategie.
Doch wer war Victoria Woodhull? In den USA wird eine Verfilmung ihres Lebens vorbereitet, in Europa ist sie weitgehend unbekannt. Sie hat dem Eisenbahn-Magnaten und Multimillionär Cornelius Vanderbilt mit Hilfe ihrer Geister (oder waren es doch weltliche Freundinnen?) die Börsenkurse vorhergesagt, und sich am Gewinn prozentuell beteiligen lassen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Tennesse gründete sie die erste weibliche Broker-Firma an der Wallstreet, obwohl Frauen das Spekulieren an der Börse untersagt war. Aus den politischen und sozialen Traumata ihrer Zeit (Sezessionskrieg, Sklaverei, Frauendiskriminierung) entstand ihr Drang sich zu engagieren. Im Frühjahr 1872 gründete Woodhull eine eigene Partei, die „Equal Rights Party“, und ließ sich zur Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen im November des Jahres nominieren. Ihre Forderungen waren enorm progressiv: Abschaffung der Todesstrafe, öffentliche Erziehung der Kinder, Errichtung eines internationalen Gerichtshofes, Wahlrecht für Frauen und AfroamerikanerInnen etc. Mit ihrer Wochenzeitung „Woodhull and Claflin’s Weekly“ griff sie Henry W. Beecher, den einflussreichsten Prediger der USA an, um ihn für ihre „Freie Liebe“-Kampagne zu gewinnen, da er diese durch seine außerehelichen Affären doch schon längst praktizierte. 1900 übersiedelte sie nach England. Noch im hohen Alter lernte sie Autofahren und gründete einen Damen-Automobil-Club. Für den ersten Atlantiküberflug setzte sie eine Prämie aus – und starb erst nachdem Charles Lindbergh dies geschafft hatte.
Kein weiblicher "Messias" in Sicht
Mit „Messias-Faktor“ hat der Spiegel den gegenwärtigen Höhenflug Barack Obamas und die drohende Niederlage von Hillary Clinton im Rennen um die demokratische Präsident/inn/en-Kandidatur treffend umschrieben. Jedenfalls können wir daraus einiges über die symbolische Politik der Frauen lernen. Die hat nämlich unter anderem mit dem Problem zu tun, dass es eine weibliche Form von „Messias“ nciht gibt:
http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-2-105.htm
Paul Verhoeven will Woodhulls Leben weiterhin verfilmen
Regisseur Paul Verhoeven (Basic Instinct) will weiterhin das Leben von Victoria Woodhull verfilmen! In einem Interview mit der Süddeutschen sagt er: „Ich habe das in den USA versucht mit einem Projekt, an dem ich parallel zu „Black Book“ arbeitete, einem Film über Victoria Woodhull, die in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in New York lebte. Sie war Prostituierte, dann Feministin – und Präsidentschaftskandidatin. Zudem war sie in den größten Sexskandal jener Zeit verwickelt. Die Einzige, die daran Interesse hatte, war Nicole Kidman. Ich werde dieses Projekt weiterverfolgen, auch wenn die Bush-Administration die USA noch puritanischer gemacht hat . . . Vielleicht muss ich auf einen neuen Präsidenten warten, um den Film machen zu können.“ – Na, der nächste Präsident (oder die nächste Präsidentin) kommt ja nun bald. Drücken wir dem Projekt die Daumen…
Zum Artikel: http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/372/113259/3/
PS: Am Montag, 4. Februar, war in der Süddeutschen Zeitung ein großer Artikel über Victoria Woodhull. Leider steht er nicht im Netz, aber vielleicht könnt Ihr ihn ja doch besorgen…
Frauen auf dem Weg ins Weiße Haus
„Frauen auf dem Weg ins Weiße Haus: Von Victoria Woodhull zu Hillary Clinton“: Vortrag und Diskussion über zwei ziemlich ungleiche Präsidentschaftskandidationnen, mit Bildern und mehr am Dienstag, 26. Juni 2007 in Freiburg: Vortrag in der Universität, 20 Uhr c.t., veranstaltet vom Deutsch-Amerikanischen Institut. (mehr)
Provokation im Weiberrock…
… so betitelt die Kölnische Rundschau ihren aktuellen Artikel über Victoria Woodhull – aus Anlass der Kandidaturambitionen von Hillary Clinton: http://onlinearchiv.rundschau-online.de/paskr/articleShow.do?id=KR-05-16-2007-044C00188969RG